Lissabon – Porto Santo (Madeira) 3


Es ist oft der letzte Abend in einem Hafen, der am schönsten ist. Schon am Nachmittag haben wir bei Inge und Erhard auf der Antares, die einen Steg von uns weg liegt, vorbeigeschaut. Nach einigen Gläsern Wein und Bier kam ein anderes deutsches Segelboot in den Hafen gefahren und wurden von Erhard mit dem Nebelhorn begrüßt. Alte Bekannte, die sie schon erwartet haben. Leider ist der Hafen ziemlich voll und deren Boot ist nicht gerade klein. Sie werden zuerst abgewiesen, ergattern dann aber doch irgendwie einen Platz an unserem Kai. Inge und Erhard begrüßen die beiden an Bord und kommen hinterher noch mal bei uns vorbei (auf noch ein Bier und noch mehr Wein/Portwein). Erhard hat nicht viel Hoffnung, dass wir morgen nach Madeira starten, da Enno sicher einen dicken Kopf hat… Wir werden sehen. Nachdem die beiden sich verabschiedet haben, machen wir noch einen kurzen Besuch auf dem norwegischen Katamaran. Der Skipper hat schon gestern Morgen kurz bei uns vorbeigeschaut und fragte, ob wir zusammen nach Madeira segeln wollen. Das hört sich gut an für uns, wir denken aber, dass die mit ihrem großen Katamaran einiges schneller sein werden, als wir. Die Frage ist, wie lange wir da miteinander segeln. Stian meint, dass sie sehr konservativ segeln, da sie Kinder mit an Bord haben. Jedenfalls werden wir auch hier an Bord von Elessis gebeten und es gibt noch ein Bier. Die Chancen morgen loszukommen schwinden noch mehr. Trotzdem stellen wir den Wecker auf 6 Uhr. Da wir den ganzen Nachmittag und Abend in netter Gesellschaft verbracht haben, blieben einige Dinge unerledigt. Ich wollte eigentlich mindestens zwei Mahlzeiten fertig haben, damit ich den ersten Tag auf See (nach einer Woche im Hafen) nicht so lange unter Deck sein muss zum Kochen. Aber daraus wird nichts mehr. Enno füllt noch den Wassertank auf und ich verstaue alles seesicher unter Deck, bevor wir schlafen gehen.

Als der Wecker klingelt sind wir eigentlich ganz gut in Form. Enno hat ein wenig Kopfschmerzen, aber nicht so schlimm, als dass wir nicht los könnten. Nach einer Dusche (die eigentlich auch schon für gestern Abend geplant war) und einem letzten Frühstück ohne Wellen und Geschaukel sind wir kurz vor 8 Uhr klar zum Auslaufen. An Bord von Elessis herrscht auch schon heftiges Treiben. Wir winken, als wir vorbeischippern. Als wir aus dem Hafen herauskommen hat es noch ordentlich Dünung und wir sind froh, dass wir nicht schon gestern los sind. Da sollte es noch 4 Meter hohe Wellen haben, für heute sind es 2,8 Meter. Wir setzen die Genua (ausgebaumt) und das Grossegel und machen bei 8-10m/s gut Fahrt. Da der Wind von achtern kommt, hat Enno einen „bompreventer“ (Bullenstander auf deutsch) gebastelt, der verhindern soll, dass das Grossegel plötzlich von einer Seite auf die andere schlägt. Der Wind wird mehr und der Autopilot schafft es nicht mehr in den hohen Wellen zu steuern. Ich steuere von Hand und dann passiert genau das, was nicht passieren soll. Der Baum kommt mit Karacho auf die andere Seite und das gibt eine enorme Belastung auf dem Rigg, da der Preventer noch voll dran hängt. Die Genua ist auch auf die andere Seite geschlagen und bremst das Boot aus. Ohne Fahrt im Boot ist es unmöglich das Grossegel wieder auf die andere Seite zu bekommen. Der Preventer zerrt am Bugsprit und presst gegen die Wante. Enno steht schon klar mit einem Messer, um den Preventer durchzuschneiden, damit kein Schaden am Rigg entsteht, aber dann kommen wir drauf den Motor zu starten und mit Hilfe vom Motor zu schlagen. Nun ist das Grossegel wieder auf der richtigen Seite und zum Glück hat es keine Schäden gegeben. Wir nehmen das Grossegel runter und segeln nur mit der Genua weiter. Geben Abend soll der Wind auf 12-15m/s zunehmen. Ab 15 Uhr haben wir konstant 15m/s und in Böen bis zu 19m/s. Wir hoffen, dass der Wind einfach nur früher gekommen ist und nicht gegen Abend noch stärker wird. Die Wellen sind heftig und wir sind beide seekrank. Wir wechseln uns ab zu steuern, denn da geht es einem auf einmal besser. Ich nehme eine Tablette und lege mich eine Weile unten aufs Sofa. Es dauert ja mindestens eine Stunde, bevor die Tablette Wirkung zeigt. Enno fühlt sich etwas blubbrig im Bauch – das kann allerdings auch von „etwas zu viel vom Guten“ gestern sein – aber so lange er steuert ist es erträglich. Zum Glück haben wir noch Risotto von gestern übrig, da wir vor lauter Besuchen nicht zum Essen gekommen sind. Oft hilft es, wenn man etwas isst, um nicht seekrank zu werden. Als das Essen warm ist und ich den Topfdeckel hebe, um umzurühren, merke ich sofort, dass ich das auf keinen Fall jetzt essen will. Enno auch nicht, also lassen wir es wieder kalt werden… Elessis hat einen mehr südlichen Kurs eingeschlagen, während wir 230° auf dem Kompass haben – direkt auf Porto Santo zu, eine kleine Insel vor Madeira. Die Windsteuerung funktioniert super, obwohl es wirklich viele und hohe Wellen hat. Manche Wellen brechen direkt hinter Inua und es brodelt unter uns durch. Beeindruckend! Eine lange Zeit begleitet uns ein großer Schwarm Delfine. Sie sind überall ums Boot herum, spielen mit der Bugwelle, springen aus dem Wasser und kommen in den riesigen Wellen direkt auf Inua zugeschossen, um dann kurz vorher elegant abzudrehen. Man kann sich gar nicht satt sehen an diesen lebenslustigen Wesen. Da es so unruhig ist, haben wir den Watts&Sea (zur Stromproduktion) noch nicht in Gang gesetzt. Das ist jedes Mal etwas Action, denn einer muss mit viel Kraft an einem Tau ziehen, um ihn in die richtige Position zu bringen, während der andere einen Splint einsetzen muss, um ihn dort zu halten. Auf dem AIS ist Elessis nicht mehr zu sehen, dafür sehen wir nun WhisperHR, eine australische HR, die wir schon vorher unterwegs getroffen haben, auf einem Parallelkurs mit uns.

Gegen 18 Uhr beginnt es feucht zu werden im Cockpit und nach einem schönen Sonnenuntergang ist es um 20 Uhr schon dunkel. Der Sternenhimmel ist genial und der zunehmende Mond ist schon auf dem Weg unterzugehen. Schade, dass nicht Vollmond ist, da wäre es nicht so krabbennacht gewesen. Enno hat inzwischen auch eine Anti-Seekrank-Tablette genommen und ist klar für seine Wache von 20-2 Uhr. Ich lege mich im Salon aufs Ohr. Leider ist es sehr unruhig und auch nicht leise, da der Wind durchs Rigg heult. Am besten liegt man auf dem Rücken oder auf dem Bauch. Liegt man auf der Seite bekommt man bei dem heftigen Geschaukel leicht das Übergewicht und rollt nach vorne. Wenn man auf dem Rücken liegt fühlt es sich lustig an, wie der ganze Körper hin und her geschoben wird, ohne dass man selbst irgendwas dazutut. Plötzlich höre ich Enno fluchen. Mit einem Satz stehe ich in der Luke und frage, was los ist. An der Windsteuerung ist eine Leine gerissen, die einen Block für die Umlenkung der Steuerleine an der Reling halten soll. Das ist nicht schlimm und schnell repariert, aber muss so was nachts passieren? Die Wellen kommen meterhoch hinter uns angerollt und die Schaumkronen leuchten heftig. Auch neben dem Boot sieht man „Leucht-Teppiche“. Klasse! Der Wind ist nicht weniger aber auch nicht mehr geworden. Als ich um 2 Uhr meine Wache beginne ist der Mond schon untergegangen. Der Sternenhimmel ist so hell, dass man den Horizont noch immer gut sehen kann. Ich bewundere die Leuchtalgen, die neben Inua leuchtende Sterne im Wasser produzieren. WhisperHR überholt uns im Laufe der Nacht und das AIS_Signal verschwindet vom Kartplotter. Dafür erscheinen 2 große Frachter, von denen wir einem ausweichen müssen, um ihm nicht zu nahe zu kommen. Nachts haben wir den Kartplotter an, um andere AIS-Signale zu sehen. Wir haben auch einen AIS-Alarm eingestellt, der uns warnt, wenn wir mit einem Boot auf Kollisionskurs kommen. Der piept allerdings dauernd, so lange Gefahr besteht, selbst wenn man den Kurs schon geändert hat. Es ist alles nass im Cockpit, die Luftfuchtigkeit hier ist enorm. Und es ist auch nicht so warm, so dass ich Segelhose und –jacke samt Wollpulli an habe. Aber natürlich friert man auch leichter, wenn man müde ist. Und das wird man unweigerlich, denn so viel gibt es nicht zu sehen. Zum Glück haben wir unseren kleinen Küchenwecker, der uns alle halbe Stunde weckt, um den Kurs zu kontrollieren und Ausschau nach anderen Schiffen zu halten. Man muss bei so hohen Wellen allerdings lange schauen, denn ein anderes Schiff kann ja gerade in einem Wellental sein und daher nicht auf den ersten Blick zu sehen, oder wir sind im Wellental, oder beide Schiffe… Auf einmal steuert die Windsteuerung nicht mehr richtig und ich muss das Ruder übernehmen. Nach einer Weile entdecke ich die Ursache: die Windfahne hat sich unter der Flaggenstange festgehakt. Enno kommt beim ersten Rufen an Deck. Unsere Badeleiter hat sich gelöst und sich mit den Tauen der Windsteuerung verheddert. Ich kann sie mit dem Achterstagspanner hochbinden. Das hält erstmal und auch dieses Problem ist schnell gelöst. Aber auch so was ist uns noch nie tagsüber passiert. Bei einem meiner Rundumblicke entdecke ich ein Licht hinter uns, das aussieht, als ob es aufholt, allerdings kein AIS-Signal auf dem Plotter. Sieht aus wie die Topplaterne von einem Segelboot. Nachdem das Licht immer höher steigt muss das ein Monsterboot sein mit einem so hohen Mast. Inzwischen dämmert es mir auch, wie das „Boot“ heisst: Venus ist aufgegangen. Kurz nach 7 Uhr wird es schon heller und um 8 Uhr ist die Sonne aufgegangen. Von den 490nm nach Porto Santo haben wir schon 150nm geschafft. Das bedeutet eine Durchschnittsfahrt von 6,25 Kn.

Am zweiten Tag hält sich der Wind bis zum Mittag mit weiterhin 15-18m/s. Danach nimmt er langsam ab, allerdings nicht die Wellen. Wir haben den Watts&Sea in Gang gesetzt, der allerdings mindestens ½ Knoten von unserer Fahrt nimmt. Er lädt die Batterien nur sehr langsam auf und der Strom reicht nicht, um den Watermaker in Gang zu setzten. Wir hatten den Filter ausgebaut, während wir in Oeiras lagen. Nun ist Luft im System und um die Luft aus dem System zu pumpen braucht der Watermaker eine gewisse Spannung (13½ Volt), die die Batterien aber im Moment nicht haben. Wir beschließen den Watts&Sea nun die ganze Zeit zu benutzen und hoffen, dass die Batterien bis morgen voll genug sind, um den Watermaker zu entlüften. Als wir den Watts&Sea zu Wasser gelassen haben, haben wir das Windruder hoch genommen. Bei den vielen Wellen ist es uns zu unsicher, dass das Ruder den Propeller vom Watts&Sea treffen könnte. Also steuern wir entweder selbst oder lassen den Autopilot steuern, wenn wir keine Lust mehr dazu haben. Der verbraucht allerdings auch Strom und die Batterien werden noch langsamer geladen. Um die Batterieladung zu erhalten hätten wir wirklich den Watts&Sea von Anfang an mitlaufen lassen sollen. Jetzt ist es schwer den Verlust wieder aufzuholen. Das ist allerdings auch kein Grund zur Sorge, denn wenn wir den Motor starten haben wir die Batterien ruckzuck wieder geladen. Der Tag ist sonnig und erst am Nachmittag ziehen ein paar Wolken auf. Bis mittags haben wir Sonne im Cockpit, danach wird es schattiger. Da der Wind von achtern kommt, ist es trotzdem angenehm in der Sonne zu sitzen. Das Wasser ist unglaublich blau und wir haben noch nie so eine intensive Farbe vom Meer gesehen. Bei der ganzen Bastelei mit dem Watermaker ist Enno aufgefallen, dass es aus dem Badschrank nach Diesel riecht. Der hat eine Verbindung zum Vorpik, wo wir den vollen Ersatz-Dieselkanister gelagert haben. Nun heißt es , das Vorpik auszuräumen, d.h. die Matratzen und die Roste raus. Unterwegs ist es am schlimmsten, sich im Vorpik aufzuhalten. Da spürt man die Bewegungen im Boot extrem und man wird leicht seekrank. Aber es hilft ja nichts. Ich schaffe es alles auszuräumen (auch nicht so leicht in einem Boot, das dauernd von einer Seite zur anderen fällt) und den Diesel, der am Verschluss vom Kanister herunterläuft mit Spiritus abzuwischen, bevor ich das Ruder übernehmen muss, um die Seekrankheit loszuwerden. Enno geht runter und schaut nach, wie viel Diesel sich unter dem Kanister gesammelt hat und ob schon was in die Bilge gelaufen ist. Dieselgestank im Boot ist unangenehm und schwer zu beseitigen. Auch er kommt nach einer Weile wieder hoch und will steuern. Wir machen alles so gut wie es geht sauber, aber um den schweren Kanister an Deck zu schaffen ist zu viel Seegang. Außerdem ist die Gefahr zu groß, dass wir einige Tropfen Diesel auf dem Weg nach draußen verlieren – und die stinken dann erst recht im Boot. Wir machen die Roste und Matratzen wieder drauf und hoffen das Beste. Das alles war kurz vor Sonnenuntergang und als wir mit der ganzen Aktion fertig sind ist es schon tiefe Nacht und Enno beginnt mit der ersten Wache. Der Mond scheint und es ist leicht den Kurz zu halten. Schon nachmittags hat der Autopilot nicht richtig funktioniert, wahrscheinlich ist etwas Wasser in den Kontakt gelaufen, als einige Wellen übers Heck ins Cockpit gekommen sind. Mit etwas Kontaktspray hat Enno ihn wieder zum Laufen bekommen. Nachts hat er dann aber doch nicht funktioniert aber Enno hat noch eine Weile daran rumgebastelt, während ich gesteuert haben, und nun funktioniert er wieder perfekt. Als ich um 2 Uhr meine Wache beginne, sind alle Sterne hinter den Wolken verschwunden. Schade. Nicht viel zu sehen, also hefte ich den Blick auf alle möglichen Dinge, die wir am Heck montiert haben und entdecke, dass sich das hochgebundene Windruder etwas bewegt. Da der Watts&Sea im Wasser ist, wäre es dumm, wenn das Ruder sich lösen würde und unkontrolliert ins Wasser tauchen würde. Ich finde ein extra Tau und binde es noch fester. Später entdecke ich, dass der Splint vom Watts&Sea nur noch zur Hälfte in seinem Loch steckt. Ich wecke Enno und wir versuchen ihn wieder ganz durchzuschieben. Dazu muss wieder einer kräftig an der Leine ziehen, während der andere versucht den Splint weiter rein zu drücken. Funktioniert aber nicht. Der Splint sitzt bombenfest und es sieht so aus, als ob wir uns keine Sorgen machen müssten, dass der weiter heraus fällt. Da man beim Splint reinschieben ziemlich dicht über der Wasseroberfläche hantiert ist es unumgänglich, dass man mit den Händen ins Wasser kommt. Was für eine Überraschung: das Wasser ist wärmer als die Luft!! Badewannentemperatur. Am liebsten würde man reinspringen. Das geht allerdings nicht, da wir zu viel Fahrt machen. Außerdem ist es ja mitten in der Nacht… Ich bin hundemüde und mache mir aus eine paar Schoten eine Art Kopfkissen. Alles ist wieder nass wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Ich lege mich trotzdem auf die Backbord-Bank, stütze mich gut mit der Hand ab, um nicht herunterzufallen. Der Wecker klingelt alle halbe Stunde und weckt mich. Aber so ist es gar nicht schlecht, man bekommt wenigstens etwas Schlaf. Heute Nacht habe ich keine Segeljacke mehr an. Der Wollpulli wird auch ganz schön nass, wenn ich mich auf die Bank lege, aber das trocknet morgen in der Sonne wieder. Irgendwann taucht Elessis wieder auf dem Kartplotter auf und wir sehen auch die Topplaterne. Die sind nun eine halbe Stunde voraus auf einem Parallelkurs mit uns. Lustig. Wir hätten nicht gedacht, dass wir die noch mal sehen, bevor wir in den Hafen von Porto Santo kommen. Wir rufen sie auf Funk und hören, dass bei denen auch alles OK ist. In der ersten Nacht war wohl nur der Skipper nicht seekrank und als einziger an Deck. Alle anderen sind flach gelegen. Den südlichen Kurs, den sie anfangs eingeschlagen haben, war um die Wellen möglichst von hinten zu bekommen und dadurch weniger Bewegung im Boot zu haben. Das ist schön, dass wir uns noch mal unterwegs treffen. Die haben einen guten Knoten mehr Fahrt als wir und ihr AIS-Signal verschwindet auch bald wieder. Gegen Morgen verziehen sich die Wolken und es kommen wieder mehr und mehr Sterne zum Vorschein. Wir haben 125nm in den letzten 24 Stunden zurückgelegt (5,2 Kn). Etwas weniger als gestern. Der Wind war weniger und der Watts&Sea bremst noch zusätzlich. Wir haben es ja nicht eilig.

Den dritten Tag auf See: es hat weniger Wind und die Windrichtung ändert sich ab 13 Uhr, so dass wir die Genua auf die andere Seite ziehen (Steuerbord). Hier ist sie nicht ausgebaumt, steht aber trotzdem gut. Wir rechnen damit, dass wir die Genua in ein paar Stunden wieder auf die Backbordseite ziehen und dann ist es praktisch, dass wir den Baum noch dort haben. Die Wellen sind noch immer nicht viel weniger geworden und es ist noch immer sehr unruhig im Boot. Aber uns geht es besser und wir haben keine weiteren Anti-Seekranktabletten gebraucht. Vormittags ist es sonnig, am Nachmittag wieder bewölkt. Sehr angenehme Temperatur. Obwohl wir nun schon seit dem ersten Tag über das Kontinentalschelf raus sind und es seither über 4000 Meter tief ist, kommen uns doch noch mal 2 Delfine besuchen. Ich sehe einen, wie er in einer der hohen Wellen, die hinter uns angerauscht kommen direkt auf uns zuschießt. Tolle Tiere. Sie bleiben dieses Mal nicht lange und wir wundern uns eigentlich, was die in so tiefem Gewässer machen. Die Tage an Bord sind eigentlich ganz entspannt. Nach dem Frühstück darf ich mich immer noch bis zum Mittag ablegen, während Enno aufpasst. Danach ist Enno dran mit Pause machen. Wir sind ganz zufrieden mit unserer Wach-Ordnung. Enno will gerne immer die erste Nachtschicht haben und ich freue mich jede Nacht, dass ich den anbrechenden Tag erleben darf. Perfekt. Was wir noch nicht so gut im Griff haben, sind regelmäßige Essenszeiten und genug zu trinken. Aber ich denke, auch das wird sich noch einpendeln. In der dritten Nacht fällt Enno bei einer Welle von der Bank und landet mit den Rippen auf der anderen Bank. Aua!! Das gibt einen blauen Fleck. Man muss sich wirklich die ganze Zeit irgendwie abstützen. Als ich meine Wache beginne sind überhaupt keine Sterne zu sehen und es regnet auch ab und zu ein wenig. Wir haben die Genua immer noch auf Steuerbord und sie steht nicht mehr ganz so gut, da der Wind unbeständig ist. Mal mehr mal weniger und auch aus verschiedenen Richtungen. Eigentlich bin ich die ganze Wache am Segel trimmen. Da hat man dann wenigstens was zu tun und wird nicht so müde. Unter Deck ist es allerdings ziemlich laut, wenn die Schoten an der Reling oder an der Wante entlangscharren. Auch die Bewegungen im Boot werden mehr bei weniger Wind und immer noch hohen Wellen. Enno fällt fast aus der Koje, ist irgendwie nicht seine Nacht… Wir schaffen 110nm (nur noch 4,5Kn).

Am vierten Tag auf See wird der Wind tagsüber immer weniger und wir starten um 12 Uhr den Motor um die Batterien zu laden. Der Watts&Sea schafft es nicht unseren Verlust vom ersten Tag aufzuholen. Nach 2 Stunden sind die Batterien voll genug, der Watermaker ist eine Weile gelaufen und wir segeln wieder. Ab 15 Uhr ist unsere Fahrt meist unter 2,5 Knoten und wir starten den Motor wieder. Die Genua steht auch mit Motor gut und wir kommen gut voran. Wir verbringen die meiste Zeit unter Deck, stellen unseren kleinen Wecker und halten abwechselnd Ausschau. Nur Wasser um uns herum. An Deck entdecke ich einen kleinen Tintenfisch, der wohl mit einer Welle an Bord gespült wurde. Enno entsorgt den kleinen Kerl heldenhaft. Sieht so aus, als ob er dort schon eine Weile lag, jedenfalls ist er fest getrocknet. Gegen Abend kommt wieder Wind und wir schalten den Motor ab. Enno hat ausgerechnet, dass wir früh morgens in Porto Santo ankommen werden. Da ist es besser, wenn wir etwas langsamer vorankommen, denn schließlich wollen wir nicht im Dunkeln ankommen und hell wird es nicht vor 7 Uhr. Enno hat wieder die erste Wache und alles ist ruhig. Auch Enno ist die ganze Zeit unter Deck und setzt den Rhythmus des Tages fort (mit Wecker stellen und Ausschau halten). Es ist viel gemütlicher unten zu sein, denn draußen ist wieder alles nass. Enno ist die ganze Nacht im T-Shirt, es ist deutlich wärmer hier! Als ich meine Wache beginne, bin ich auch zuerst unten. Der Vorteil ist, dass man da viel bequemer liegt und im Liegen lesen kann. Im Sitzen wird’s mir schlecht. Gegen 2 Uhr entdecke ich ein Schiff mit Leuchtsignalen und wecke Enno und frage, was das bedeutet. Land in Sicht! Schon so früh ein Leuchtfeuer zu sehen, damit habe ich nicht gerechnet. Es sind noch ca. 25nm bis nach Porto Santo. Als wir beide wieder unter Deck sind, Enno schläft, landet auf einmal etwas rundes, großes auf der obersten Treppenstufe. Ich kann’s nicht glauben, aber da sitzt ein Vogel. Ich rufe Enno zu, „da sitzt ein Vogel auf unserer Treppe“, aber der denkt ich bin etwas verwirrt, bis er sich dann selber davon überzeugt. Es ist eine „havlira“ (mal wieder keine Ahnung, was das auf deutsch ist). Ermutigt von uns als Willkommenskomitee kommt sie die anderen Stufen runter und setzt sich erstmal in der Kombüse auf den Boden. Enno will sich mit ihr anfreunden und streichelt sie am Rücken. Das macht ihr gar nichts aus, aber als er versucht sie hochzuheben entwischt sie und macht sich auf den Weg Richtung Vorpik. Wir (Enno!! Ich sitze mit angezogenen Füssen auf dem Sofa und beobachte die Lage gespannt und hab viele gute Ratschläge) können sie umleiten und sie läuft weiter unter den Tisch. Da ist sie schon etwas schwieriger wieder weg zu bekommen. Aber irgendwie setzt sie sich in Gang mit dem Ziel Achterlugar. Da darf sie auf keinen Fall hin. Das ist unser Stauraum und wenn sie sich darin irgendwo vergräbt finden wir sie so leicht nicht wieder. Enno schnappt sie, bevor sie ans Ziel kommt und setzt sie hoch ins Cockpit. Von hier aus muss sie einfach nur starten. Tut sie aber nicht, sie will wieder rein zu uns! Nachdem sie einen Schiss im Cockpit hinterlässt ist Schluss mit lustig. Enno hebt sie hoch und wirft sie in die Luft. Ihre Flügel klappen sich aus und weg ist sie. Aufregend!! Gegen 4 Uhr kann man die Umrisse von Porto Santo am Horizont erkennen und es dauert auch nicht mehr lange bis man die Lichter der Stadt sehen kann. Auch heute ist es bewölkt, so dass es ziemlich dunkel ist. Der Kartplotter berechnet unsere Ankunftszeit gegen 6 Uhr. Das ist viel zu früh, also rolle ich die Genua etwas ein, um weniger Fahrt zu machen. Gleichzeitig kommt mehr Wind auf, der das wieder ausgleicht. Also noch mehr einrollen, bis nur noch ein kleiner Fetzen ausgerollt ist. So schaffen wir es, unsere Ankunftszeit so weit hinauszuzögern, dass wir erst bei Tageslicht im Hafen ankommen. Das waren die langweiligsten 2 Stunden auf dieser Tour – so langsam wie möglich segeln…

Um 8 Uhr lagen wir gut vertäut neben Celsius (Eldrid und Rolf) vertäut. Mit den beiden haben wir in Oeiras einen sehr schönen Abend verbracht, toll dass sie noch hier sind. Außen an der Brücke liegt Elessis. Die sind gestern Abend hier angekommen. Wir werden von allen freudig begrüßt. Schön. Müde sind wir und unser einziger Plan für heute ist, erstmal gut ausschlafen.

 


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3 comments on “Lissabon – Porto Santo (Madeira)

  • MuPa

    Ein Abenteuerroman der Wirklichkeit. So wie ihr berichtet, habt ihr aber alles im Griff. Spannend und interessant zugleich. Weiterhin alles Gute.

    Liebe Grüße vom Atlantik

    MuPa

  • Elke und Udo

    Das war eine lange Fahrt mit “Haken und Ösen”, die Ihr mal wieder mit Bravour gemeistert habt.
    Wir wünschen Euch jetzt eine erholsame Pause auf Madeira und Porto Santo und freuen uns auf Euren nächstenTourbericht,
    Udo und Elke, Mom und Dad

  • Gudrun und Wolfgang

    Toller Bericht. Wir freuen uns schon auf den nächsten Blogeintrag von den Kanaren. LG aus dem schon sehr kalten Oldenburg