Ein halbes Jahr zu Hause… 4


Vor über 6 Monaten sind wir von unseren grossen Tour nach Hause gekommen. Wie ist das so? Haben wir uns wieder eingelebt? Sind wir froh wieder daheim zu sein, vermissen wir das Leben auf See?
Wir denken oft an unsere Tour und die Erlebnisse zurück, zum Teil wehmütig. Es war ein spannendes Leben unterwegs, der Natur so nah und ausgeliefert, aber auch faszinierend… jeden Tag dem Wetter ausgesetzt, aber auch so frei, dass wir tun und lassen konnten was wir wollten. Man hat andere Sorgen, wenn man an Bord eines Schiffes lebt:

 

Hält der Anker? Nicht nur unser eigener, sondern auch der vom französischen Charter-Katamaran, der sich im Ankerfelt genau vor uns hingelegt hat?
Ankern wir zu dicht an den anderen Schiffen? Was passiert wenn der Wind über Nacht einschläft und die Schiffe kreuz und quer treiben?
Liegen wir hier (auf diesem Ankerplatz, in diesem Land in der Karibik) sicher?
Wie kommen wir mit dem Gummiboot trocken an Land? Es ist nicht lustig patschnass und mit einer Salzkruste überzogen eine neue Insel zu erkunden, oder beim Zoll aus- oder einzuchecken.
Was machen wir, wenn an Bord was kaputt geht? Haben wir die richtigen Ersatzteile dabei und können wir es reparieren?
Wer steuert das Boot, wenn wir beide krank werden?
Hält sich der Wind? Kommt er aus der passendenden Richtung? Nicht zu viel und nicht zu wenig?
Finden wir ein Café oder Pub mit Internet, um den Blog zu aktualisieren oder Bilder hochzuladen?
Und eine meiner grössten Sorgen: Schaffen wir es ohne Kakerlaken an Bord wieder nach Norwegen zu kommen?

 

Solche Sorgen hat man in einem Haus natürlich nicht. Auch ist es schön, dass alles, was man ablegt auch dort liegen bleibt und man nicht daran denken muss, dass der Gegenstand in der nächsten Sekunde quer durchs Schiff geflogen kommt. Man kann bei vollem Wasserstrahl ewig unter der Dusche stehen und auch das Spülwasser schwappt nicht im Spülbecken umher, ganz zu schweigen vom Luxus der Geschirrspülmaschine 🙂 Und auch die allzeit zugängliche Waschmaschine ist toll. Die Wäsche wird endlich mal wieder richtig sauber und nicht nur geruchsbefreit. Es gibt einige Dinge, die in einem Leben an Bord sehr viel umständlicher sind, aber wir haben uns trotz allem 14 Monate auf unserer wahrscheinlich nicht mal 9 qm grossen Inua super wohl gefühlt. Als wir in unserem Haus angekommen sind, haben wir uns wie in einem Schloss mit riesigen Hallen gefühlt. Auf der Toilette kann man sich umdrehen, ohne irgendwo anzustossen. Und man muss sich auch nicht mehr dauernd festhalten, damit man nicht von einer Welle umgeworfen wird.

Dank WhatsApp hatten wir die ganze Tour über viel Kontakt mit Familie und Freunden, so dass es sich gar nicht so angefühlt hat, dass wir auf der anderen Seite des Atlantiks waren. Vor ein paar Jahren wäre das noch nicht so einfach gewesen. Wir waren eigentlich die ganze Zeit über auf dem Laufenden… Sogar auf den Atlantiküberquerungen konnten wir eMails senden und empfangen. Familie und Freunde haben wir natürlich vermisst! Und da wir nicht viel Platz an Bord hatten, war es uns leider nicht möglich Gäste mitzunehmen… (für die nächste Tour brauchen wir also ein grösseres Boot 🙂 )
Da man unterwegs immer wieder dieselben Boote trifft, wächst man zu einer Art Familie zusammen und hilft sich gegenseitig bei diversen Problem(chen). Zu unserer festen Bootsfamile gehörten ausser Norwegern, Deutschen und Schweden auch ein paar Holländer. An manchen Abenden haben wir mit unserer grossen Seglerfamilie die meisten Plätze in einem Restaurant beansprucht, wenn wir mit bis zu 20 Leuten dort aufgetaucht sind.

 

Wir haben viel gesehen: andere Länder, Menschen, Mentalitäten, übertriebenen Reichtum, Superjachten und unglaubliche Armut. Die meisten englischen Inseln sind Dritte Welt, während die französischen Inseln, die meist nur 30-40 Seemeilen davon entfernt liegen, europäischen Standard haben. Die Unterwasserwelt in der Karibik ist faszinierend. Wir haben Fische in allen Formen und Farben, Meeresschildkröten, und exotische Vögel gesehen. Und auch die Vorbilder der Drachendesigner: Leguane!! Es gibt viele Obst- und Gemüsesorten, von denen wir nicht mal wussten, dass sie existieren… Holt man auf einer Strand-Party zu tief Luft wird man fast high, da eigentlich alle Einheimischen Canabis rauchen… ach ja, Rumpunsch ist DAS Nationalgetränk und fast jedes Pub hat eine Happy Hour wo man das dann zum halben Preis bekommt. Noch nie in meinem Leben hab ich so viel Bier getrunken, aber das ist einfach das beste bei der Hitze…

 

 

Ob wir nochmal in die Karibik segeln, wissen wir nicht. Es war dort wirklich sehr heiss, obwohl wir uns nach einer Weile daran gewöhnt hatten. Dadurch, dass man sich auf den englischen Inseln besser nicht allein (also ohne einheimischen Führer) im Landesinneren bewegen konnte, fühlten wir uns manchmal etwas eingeschränkt. Man kann nicht einfach ins Hinterland losspazieren, dafür ist die Kriminalitätsrate zu hoch. Und auch die Mentalität der Menschen ist so anders. Manchmal waren wir es leid, dass wir schon weit draussen auf dem Meer von Boat-boys umrundet wurden, die uns eine Boje verkaufen wollten. Am besten haben uns beiden die Azoren gefallen, nicht nur die Inseln, sondern auch die Menschen.

Wieder zu Hause sind wir am Anfang noch ein paar Mal über Dinge gestolpert, die auf See bzw an Bord von Inua so normal geworden sind. Z.B hab ich ein paarmal versucht mit der Fusspumpe Wasser zu pumpen, als ich Zähne geputzt habe. Auch die Welt hat noch eine Weile geschwankt, vor allem unter der Dusche… und ich spare noch immer Wasser beim duschen ;-). Nachts bin ich oft aufgewacht, hab entdeckt dass Enno neben mir liegt und mich gefragt, wer grad Wache hat und aufpasst…

Die Arbeitswelt hatte uns schnell wieder eingeholt, schneller als gedacht. Und inzwischen frag ich mich oft: war die ganze Tour überhaupt real oder hab ich alles nur geträumt?? Dann schauen wir uns die Fotos an, schwelgen in Erinnerungen und wünschen uns eigentlich nochmal die Möglichkeit für eine ähnliche Tour.


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4 comments on “Ein halbes Jahr zu Hause…

  • Anonymous

    Diese Eindrücke kann man wunderbar nachvollziehen, da sie so herrlich realistisch beschrieben sind.
    Das Fernweh bleibt, auch wenn man zu Hause glücklich ist.
    Mit ganz lieben Grüßen aus Hamburg von Ilka und Elke-Mami

  • Elke Rodegerdts

    Diese Eindrücke kann man wunderbar nachvollziehen, da sie so herrlich realistisch beschrieben sind.
    Das Fernweh bleibt, auch wenn man zu Hause glücklich ist.
    Mit ganz lieben Grüßen aus Hamburg von Ilka und Elke-Mami

  • MuPa

    Den Kommentaren von Elke und Ilka ist nichts hinzu zufügen.
    Ganz liebe Grüße vom Schwabenland
    Heide & Horst

  • Coco

    Liebe Karin und lieber Enno,
    wir haben heute Abend unsere Lofoten-Fotos angeschaut und uns an die schönen Tage mit Euch erinnert – und uns gefragt, wie es Euch so geht. Da fiel uns Euer Blog ein, und wir konnten einfach nachlesen, was ihr 2015 und 16 so gemacht habt. Wir sind begeistert von Eurer Tour und den Fotos!
    Wir sind immer noch in Karlsruhe mit unseren Buben und unser Leben hat einen Radius von ca. 2km, zwischen Zoo und Spielplatz, was die Zweijährigen eben mit ihren kurzen Beinen so schaffen. Es geht uns sehr gut mit unserer Rasselbande. Matti, Olli und Moritz sind eine fröhliche Bande, machen viel Quatsch und streiten wenig.
    Wir grüßen Euch sehr herzlich und wünschen Euch alles Gute!
    Coco und Jakob