Gestern Abend haben wir zuerst versucht hier in Forsøl an einer Betonbrücke anzulegen, aber in den schwarzen Reifen, die seitlich am Kai hängen sind unsere Fender drin verschwunden. Das ist eigentlich nur ein Platz für grosse Schiffe. Ausserdem haben wir niemanden gesehen, den wir fragen konnten, ob wir da liegen dürfen. Direkt bei den Häusern liegen hier viele Boote an Bojen vertäut. Nicht weit weg davon gibt es eine kleine Bucht, die in der Seekarte als Ankerbucht bezeichnet ist. Wir beschliessen uns dort hin zu legen. Ab heute Nacht ist ziemlich viel Wind gemeldet, aus west bis nord-west. Da wir hier auf der Le-Seite der Berge liegen gehen wir davon aus, dass wir hier nicht so viel vom Wind mitbekommen. Wir stellen den Ankeralarm so ein, dass es losgeht, wenn sich der Wind heute Nacht dreht, damit wir nochmal überprüfen können, ob alles passt.
Um 1 Uhr geht der Alarm los und es bläst schon ganz ordentlich. Enno meint, dass der Anker nicht mehr fest sitzt, weil sich der Wind gedreht hat. Deshalb holen wir ihn nochmal hoch und legen ihn nochmal neu an einer flacheren Stelle aus und ziehen ihn gut fest. Das alles in strömendem Regen. Wir sind patschnass, als wir wieder runter kommen. Dafür werden wir mit dem Anblick von einer ganzen Herde Rentiere, die über die Insel rennt, belohnt. Die rennen ganz eilig durch die Gegend, dann bleiben sie stehen, und dann rennen sie weiter. Zur Sicherheit beschliessen wir, dass wir das Ganze eine Weile beobachten und Enno sagt, dass er wach bleibt und ich erstmal schlafen soll. Inzwischen ist es 3 Uhr und wir sprechen ab, dass er mich in 2 Stunden weckt. An Schlafen ist nicht richtig zu denken. Der Wind wird schnell heftiger und um kurz nach 5 steh ich von alleine auf (Enno wollte mich bis 6 Uhr liegen lassen). Nun ist Enno dran mit Schlafen. Nach einer Stunde wecke ich ihn wieder und erzähle ihm, dass ich finde wir kommen dem Land so nah. Wenn man vor Anker liegt schwingt das Boot ja die ganze Zeit hin und her. Enno findet das auch und steht auf. Wir überlegen ob wir die Ankerkette ein Stück einrollen sollen, damit wir nicht mehr so weit ausholen beim Schwingen. Wir ziehen uns an und gehen raus. Zuerst sitzten wir eine Weile im Cockpit. Es bläst inzwischen mit 17-18m/s und die Ankerkette ist stramm wir eine Pianosaite. Wir überlegen, dass jetzt grad total Ebbe ist, schauen uns die Lage auf dem Kartplotter nochmal an und beschliessen, dass das nur so nah aussieht. Wir gehen wieder runter, aber an Schlafen ist nicht zu denken. Wir sind nun beide hellwach. Wenn der Anker sich losreisst haben wir keine Chance Inua zu retten. Der Wind würde uns aufs Land blasen. Enno hat sich zum Glück vorher belesen, welche Anker gut sind und wir haben den Besten!! Wir vertrauen darauf!
Als wir den Wetterbericht lesen können wir nicht glauben, dass es in Hammerfest nur Wind bis zu 11m/s haben soll. Wir liegen nun die ganze Zeit bei 18-19m/s in Böen über 20. Das höchste, das wir gesehen haben war 21,6m/s. Ich bin einigermassen gestresst, Enno vertraut auf den Anker. Wir überlegen, dass wir doch irgendwie an dem Betonkai hätten fest machen sollen, oder erst gar nicht hierher zu kommen. Es sah so gut beschützt aus hier und auch im Norske Los ist der Hafen als sicher beschrieben, aber hier gibt es fiese Fallwinde. Wahrscheinlich hat es nirgendwo anders so starken Wind. Und wir dachten, wir liegen hier besser als in Hammerfest.
Der Wind soll im Laufe des nachmittags drehen, dann bekommen wir auch wieder mehr Platz zum Schwingen. Es bläst ohne Unterlass, der Wind heult im Rigg, die Fallen klappern am Mast und die Sicherheitslinien klappern aufs Deck. Ganz schön viel Krach. Es regnet fast ohne Pause. Auf einmal geht der Ankeralarm los – wir rein in die Klamotten und hoch! Aber alles sieht gut aus. Es bläst noch immer so um die 19 m/s und wir überlegen, ob wir den Anker lichten sollen und woanders hin. Nach Alta? Ziemlich weit weg und draussen auf dem Meer ist auch Unwetter, zurück an den Betonkai? Wir sitzen eine Weile da und wägen ab. Die Risiken, den Anker zu lichten, unsere einzige Feste aufzugeben, birgt auch Risiken. Sobald der Anker sich vom Grund löst, treiben wir ab. Da müssen wir dann schnell genug sein mit dem Motor um nicht auf Land zu treiben. Andererseits dürfen wir auf keinen Fall über die Ankerkette fahren, denn sonst kann die in den Propeller kommen und dann sind wir völlig geliefert. Wir beschliessen, dass es das sicherste ist, hier liegen zu bleiben und abzuwarten.
Wir gehen wieder runter. Aber nachdem wir gesehen haben, wie lange es gedauert hat, bis wir unsere Klamotten an hatten, ziehen wir nur die Jacken aus und legen sie samt Schwimmwesten griffbereit für den Fall, dass wir sie brauchen. Enno holt sich ein Buch und ich lege mich auf den Sofa.
Es nimmt kein Ende. Keiner da der den Wind abstellt. Aber inzwischen bin auch ich überzeugt, dass der Anker hält und ich schlaf sogar immer mal wieder für ein paar Minuten ein. Die Zeit ist endlos. Der Wind heult und heult. Gegen 14 Uhr haben wir das Gefühl, dass der Wind weniger wird. Mit durchschnittlich 16m/s finden wir das inzwischen entspannt. Kurz danach wird der Wind dann wieder mehr und dreht sich leicht. Nun haben wir wieder genug Platz zum Schwingen. Inzwischen ist es auch Flut und das Land sieht nicht mehr so nah aus.
Gegen 22 Uhr wird der Wind weniger, in Böen zwar immernoch 13-14m/s, aber dazwischen gibt es ruhigere Phasen. Es wird eine unruhige Nacht und wir springen oft auf, wenn wieder so eine Böe das ganze Boot schräg legt. Gegen morgen wird es ruhiger. Wir haben den Wecker auf 6:30 Uhr gestellt, damit wir morgen früh mit dem Restwind noch ein Stück südwärts kommen. Für Morgen ist wenig Wind angesagt, für übermorgen wieder mehr.
Morgens waren wir hundemüde, aber wir sind schon vor 9 Uhr losgekommen. Den Anker in ruhigem Wetter (8m/s) zu lichten war kein Problem. Die Ankerwinsch hat aber ordentlich geschafft, um ihn loszukriegen. Der hatte sich nun ja über 24 Stunden bei ordentlich viel Wind gut eingraben können.
Wir sind nun wieder um eine sehr beeindruckende Erfahrung reicher: Fallwinde sind soooo fies, aber: unser Anker hält!!!!
Wie habt Ihr gekämpft! Es war richtig spannend zu lesen. Da kämpft man in Gedanken mit.
Gut, dass Ihr es geschafft habt. Nach und nach werdet Ihr noch zu richtigen Segelprofis – aber wie Papi gerade sagt, gemütlich ist das nicht.
Erholt Euch trotzdem gut,
Udo und Elke, Mom und Dad
Gemütlich war das gar nicht, ziemlich stressig sogar. Aber wir sind froh, dass alles gut ging. Nun haben wir es wieder entspannter 🙂
Gestern hatten wir einen tollen Sonnentag und es war richtig warm, heute regnet es leider und die Wolken hängen tief. Wir liegen sicher in einem Hafen und warten auf besseres Wetter. Vielleicht kommt das ja schon heute Nachmittag. Gut, dass wir jetzt noch gut Zeit haben. Es war eine gute Sache, dass wir so schnell ans Nordkap gekommen sind – und das auch noch bei dem besten Wetter. Die letzten Tage war dort auch viel Wind. Wir habens echt perfekt hingekriegt.
Liebe Grüsse von uns beiden
Als wir beide diesen Bericht gelesen haben, waren wir in Gedanken bei Euch. Mutiti hielt des öfteren die Luft an. Ihr habt es aber geschafft und seid um eine gute Erfahrung reicher. Wünschen euch weiter viel Spaß und macht`s gut. Passt auf Euch auf!
Liebe Grüße
Mama und Papa
Ich hab auch oft die Luft angehalten!! Das war echt ein heftiges Erlebnis.
Gestern hatten wir dafür einen total entspannten superschönen Tag. Wir haben sogar eine Wanderung zu einem Gletscher gemacht. Heute regnet es wieder und die Wolken hängen tief. Keine Lust zum Aufbrechen. Vielleicht starten wir heute Nachmittag/Abend noch irgendwo hin. Es gibt hier einen Gletscher, der bis ans Meer reicht. Das ist eigentlich unser nächster Plan. Gut, dass es nicht dunkel wird, es ist also völlig egal, wann wir weitersegeln…
Liebe Güssle von uns beiden